Zwei harte Brocken: Dent Blanche + Weisshorn vs. Sebastian und Torsten

Datum: 11.-19.08.17

Kurz vorweggegriffen, es lief auch diesmal nicht auf einen Kampf gegen die anvisierten Berggipfel hinaus, vielmehr planten wir für 2017 eine sehr ambitionierte Alpentour zu zwei schweren, hohen, entlegenen und berüchtigten Bergpyramiden im schweizer Wallis.

 

Erst kurz vor der Abfahrt wurden die letzten Hüttenplätze bestätigt, da zahlreiche Bergsteiger wegen der instabilen Wetterlage abgesprungen sind. Auch ich hatte die Wetterprognosen täglich studiert und gehofft, dass sich das wechselhafte Bergwetter doch noch rechtzeitig stabilisierte.

 

Als wir dann endlich am 11. August gegen 13:00 Uhr von Alzenau starteten, stand schon fest, dass unser ursprüngliches Ziel, der Furkapass, wegen Neuschnees unbefristet gesperrt war. Also wurde kurzerhand der Grimselpass als neues Ziel festgelegt und weiter gehofft, denn auch dort oben wurde verschneite Fahrbahn gemeldet.

 

Zügig kamen wir über die A5 Richtung Basel voran und weiter über Luzern bis hinauf zum Grimselpass. Dort erwarteten uns Nebel, Wolken, Regen, Nässe und Schnee. Zum Glück war der Pass noch offen, die Hochalpenstraße zum Oberaarsee war jedoch wegen Neuschnee gesperrt. So machten wir es uns so gut wie möglich im Auto bequem und hofften auf Besserung am nächsten Morgen.

 

Tatsächlich hatte der Regen über Nacht aufgehört. Die Hochalpenstraße, die nur aller Stunde für 10min in eine Richtung geöffnet wird, war jedoch weiterhin versperrt. Nach Auskunft in einem Hotel am Pass wollten wir uns schon zu Fuß auf den Weg zu unserem Startpunkt machen, da entdeckten wir einen Schneepflug vor der blockierten Straße. Schnell wurde geklärt, dass wir kurz nach dem Schneepflug die Straße passieren durften und wenig später erreichten wir erleichtert den Parkplatz am Oberaarsee. Schnell waren die Rucksäcke gepackt und einige Happen zum Frühstück verspeist. Zuerst überquerten wir die Staumauer und dann ging es immer am nördlichen Uferhang des Oberaarsees über einen teilweise verschneiten kleinen Pfad entlang. Hin und wieder kamen blaue Lücken im dichten Wolkenvorhang zum Vorschein. Hinter dem See erklommen wir anfangs einen felsigen Bergrücken, weiter oben stapften wir weiter über die verschneite Gletschermoräne hinauf. Glücklicherweise konnten wir die Spur zweier Bergsteiger nutzen, die kurz vor uns gestartet waren. Weiter oben auf dem Gletscher mussten wir einige Spalten umgehen. Teilweise waren diese verschneit und man konnte diese oft nur vermuten. Der Aufstieg im weichen Schnee erwies sich dann doch als anstrengend, kurz vor dem Oberaarjoch kam auch noch die Sonne raus. Innerhalb kürzester Zeit hatte die Sonne durch die starke Reflexion des Neuschnees unsere Gesichter verbrannt, so dass wir die kommenden Tage wie Zombies rumliefen. An Lippen, Nase, Wangen und Hals hing die Haut in Fetzen, ärgerlich, dass uns dies gleich am ersten Tag passierte. Gegen 15:00 Uhr erreichten wir nach knapp 6 Stunden als zweites Team die Oberaarhütte, die über eine knapp 10m hohe Leiter an einer senkrechten Felswand erklommen werden muss. Schnell erhaschten wir noch einige grandiose Blicke rüber zum Finsteraarhorn, dem höchsten Berg des Berner Oberlandes. Den Rest des Tages verbrachten wir mit dem Trocknen unserer Schuhe, Sachen, mit Essen, Trinken und Ruhen. Nach dem üppigen Abendbrot ging es gleich ins Bett.

 

Am nächsten Morgen überließen wir den anderen den Vortritt bei Aufstehen, Frühstück und Tourenstart. So konnten wir wieder eine gut ausgetretene Spur nutzen, als wir zum Oberaarhorn aufbrachen. Über einen anfangs sehr steilen verschneiten Felsrücken gelangten wir auf ein langes Firnfeld, das uns bis zum Gipfel führte. Am Gipfelkreuz überraschte uns eine sensationelle Aussicht auf unsere Gletscher-Aufstiegsroute vom Vortag sowie auf die Giganten des Berner Oberlandes. In greifbarer Nachbarschaft – Finsteraarhorn, Lauteraarhorn und Schreckhorn. Tief unter uns die wilden und zerklüfteten Gletscher im grell leuchtenden Neuschnee. Nach den obligatorischen Gipfelfotos ging es auch schon wieder auf den Rückweg zur Hütte und weiter zurück zum Auto am Oberaarsee, den wir gegen 12:45 Uhr wohlbehalten erreichten. Nach kurzer Pause schafften wir so die Talfahrt über die Hochalpenstraße gegen 13:30 Uhr.

 

 

Weiter ging es nun mit dem Auto bergab durch das obere Rhone-Tal hinab bis Brig und weiter über Sierre bis Sion. Hier beginnt die etwa 30km lange Zufahrt in das Val d’Herens, die gerade zum Ende hin in einer engen einspurigen Bergstraße endet. Am späten Nachmittag erreichten wir einen kleinen Parkplatz in der Nähe des Stausees oberhalb des Bergdorfes Ferpecle. Schnell wurden einige Konserven für das Abendbrot zubereitet, die Rucksäcke gepackt und unser Lager im Auto gerichtet.

 

Noch vor Sonnenaufgang brachen wir am nächsten Morgen auf, überwunden in einer knappen Stunde die erste Steilstufe (500Hm) mit zahlreichen Serpentinen hinauf zum verlassenen Bivacco Bricola (2.415m). Nach kurzer Pause ging es weiter hinauf zu dem markanten azurblauen Gletschersee westlich des Dent Blanche Gipfels in etwa 2.800m Höhe. Von hier beginnt eine leichte Kletterei über schräge Felsrücken und –platten. Daran schließt sich ein steiler Felsgrat an, den wir mit schwerem Rucksack mühsam durchkletterten. Über ein Firnfeld mit tiefem Schnee erreichten wir gegen 13:00 Uhr die Dent Blanche Hütte. Inzwischen spürten wir auch die zurückgelegten 1.600Hm. 2 Seilschaften trafen wir auf der Hütte nach dem Abstieg vom Gipfel, was unsere Hoffnung auf den nächsten Tag bestärkte. Bis zum Abendbrot erreichten etwa 10 Seilschaften die Hütte, die alle am nächsten Tag einen Gipfelversuch wagen wollten. Da zahlreiche Leute mit Bergführer unterwegs waren, wollten wir es etwas ruhiger angehen lassen und das Feld von hinten angehen.

 

Gegen 4:00 Uhr nachts ging es nach kurzem Frühstück auf die Kletterroute Dent Blanche - Südgrat. Im Lichtkegel unserer Stirnlampen kletterten wir den steilen Felshang direkt hinter der Hütte empor, der weiter oben in einer kleinen Felswand und einem sehr ausgesetztem Felsgrad endet. Im Dunkeln gar nicht so einfach zu durchklettern. Danach überquerten wir das erste große Firnfeld hin zur Wandfluelücke (3.701m) und erreichten den zweiten Felsgrat. Hier begannen wir mit der Sicherung am Kurzseil. Wir kletterten gleichzeitig hintereinander. Unser Seil würde sich im Falle eines Sturzes im Felsgrat verhaken. In relativ leichtem aber steilen Blockgelände kamen wir so recht zügig voran, immer vor uns die Lichtkegel der vorauskletternden Seilschaften. Ohne Probleme erreichten wir so das 2. große Firnfeld mit dem Punkt P.3.907m, der jedoch links im Firnhang umgangen wird, bis man wieder den Südgrat erreicht. Hier beginnt nun der eigentliche Südgrat. Meist überklettert man den steilen ausgesetzten Grat, einige markante Türme werden jedoch teils westlich oder östlich umklettert. Vor dem ersten Grand Gendarme (4.097m) querten wir weit nach links in eine steile Rinne, die dank Neuschnee und einigen Sicherungseisen gut zu durchsteigen war. Weiter oben erklettert man dann wieder den markanten Gratrücken. Je nach Geländeschwierigkeit wechselten wir öfter von der Sicherung mit Kurzseil zu einer Sicherung mit Fixpunkten, um das Verletzungsrisiko bei Sturz zu minimieren. Nachdem wir einige weitere Felstürme überklettert hatten, kamen uns die ersten Seilschaften entgegen. Auf dem ausgesetzten engen Felsgrat, der kaum Platz für einen Kletterer bot, kreuzten sich nun immer wieder die Wege unserer Seilschaften. Vorm letzten Turm kam es dann auch zu einem größeren Stau. Hier warteten wir einfach, bis alle abgeseilt hatten und so unser Weg wieder frei wurde. Nun begann die eigentliche Schlüsselstelle. Wieder wurde dieser Turm weit nach links in die Felswand gequert, bevor es wieder über einige Stufen senkrecht hinauf ging. Dies war auch gar nicht so einfach zu finden, schnell kann man so im steilen Gelände in eine Sackgasse kommen, wo es nicht mehr weitergeht. Trotzdem erreichten wir nach einigen Kletterpassagen wieder den Südgrat, die letzten Höhenmeter ging es nun der Höhe angemessen schnaufend und langsam, dafür aber nur bei leichter Kletterei bis hinauf zum Gipfel. Über einen schmalen kurzen Firngrat erreichten wir gegen Mittag das Gipfelkreuz.

 

Was für ein grandioser Gipfel. In alle Richtungen ging es mindestens knappe 1.000 Meter fast senkrecht hinab. Mit einer Schartenhöhe von knapp 900m ein extrem dominanter Einzelberg. Unsere Kletterroute über den Südgrat (Schierigkeit ZS/AD/III) befand sich genau gegenüber der Matterhorn-Nordwand, unserem nächsten Nachbarberg, den wir im Vorjahr erfolgreich bestiegen hatten.
Den Gipfel hatten wir für uns ganz allein, genossen die Tiefblicke auf die umliegenden Gletscher. Am Horizont im Westen waren der Mont Blanc zu erkennen, im Süden Matterhorn und Dent d’Herens, im Südosten die Gletscherwelt des Monte Rosa und im Osten die Mischabelgruppe mit Dom und allen anderen Riesen. Weit im Norden leuchteten Finsteraarhorn und die Berge des Berner Oberland.

 

Wegen der Staus hatte der Aufstieg doch recht lange gedauert. Unser Abstieg erfolgte über die gleiche Route. Über den Grat erreichten wir die ersten Felstürme, von denen man sich in den Abgrund abseilt, um irgendwo wieder auf dem Felsgrat zu landen. Sicher fanden wir die zahlreichen Abseilstellen, dennoch erfordert auch das Abseilen Zeit und Konzentration. Jeder Fehlgriff oder Fehltritt wäre hier oben verhängnisvoll. Während wir noch von den oberen Felstürmen abseilten, sahen wir unten bereits andere Seilschaften über die Firnhänge absteigen. Endlich erreichten wir den unteren und letzten Grand Gendarme und waren auch hier froh, dass wir uns durch die inzwischen aufgeweichte Firnrinne sicher abseilen konnten. Von hier an ging es nun wieder zügig weiter mit Sicherung am Kurzseil. Langsam spürten wir die Erschöpfung, dennoch mussten wir konzentriert weitergehen. Felsgrat, tiefer Schnee auf der Firnschulter, dann wieder kurzer Aufstieg zum Felsgrat und weiter bis zur unteren Firnschulter. Der letzte Felsrücken runter zur Hütte brachte uns endlich wieder an einen sicheren Ort. Während die anderen Seilschaften bereits die Hütte verlassen hatten und sich auf dem Weg ins Tal befanden, genehmigten wir uns noch eine Übernachtung auf der über 3.500m hochgelegenen Dent Blanche Hütte als Vorbereitung für den nächsten Gipfelversuch, das Weisshorn.

 

Nach dem Frühstück starteten wir diesmal bei Tageslicht von der Hütte runter ins Tal. Inzwischen war es auf dem Firnfeld unter der Hütte rutschiger und auch im steilen noch verschneiten Felsgrat mussten wir darauf achten, nicht zwischen Felsblöcken im weichen Schnee einzubrechen oder abzurutschen. Endlich erreichten wir die darunter liegenden Felsplatten, die inzwischen schneefrei waren und wir so sicher zum kleinen See absteigen konnten. Weiter ging es über einen Pfad sicher runter bis ins Tal zum Parkplatz. Den Rest des Tages nutzen wir als Ruhetag, für Körperpflege, spazierten zum eiskalten Gletscherbach weiter oben im Tal und kühlten unsere Füße. Vor der Nacht wurden wieder die Rucksäcke vorbereitet, um Verzögerungen am nächsten Morgen zu vermeiden.

 

Früh am nächsten Morgen krochen wir aus dem Schlafsack, räumten wieder das Auto um und starteten unsere Fahrt nach Randa. Zum Glück war so früh auf der engen Bergstraße nicht viel los und so erreichten wir zügig das breite Rhone-Tal. Der weitere Weg bis Randa war uns aus den Vorjahren schon wohlbekannt, in Randa angekommen fanden wir auch gleich einen kleinen Bergsteigerparkplatz fast direkt am Startpunkt unserer Route. Schnell noch ein paar Happen und ein tiefer Schluck aus unseren Trinkflaschen, dann ging es auch schon wieder mit schwerem Rucksack auf den schmalen Pfad hinauf zur Weisshornhütte. Anfangs ging es schier endlos im Zickzack steil oberhalb des Steinbruchs durch den Wald hinauf. Zum Glück spendeten die benachbarten Berge noch ausreichend Schatten. Schon nach einer Stunde hatten wir die ersten 500Hm überwunden. Nun wurde es langsam wärmer, die Sonne drückte zusätzlich auf unsere Rücken und Rucksäcke. Der steile Aufstieg ging jedoch erbarmungslos weiter. Das Tempo wurde nun etwas langsamer, trotzdem gab es ab nun an keine weiteren Pausen mehr, da uns klar war, dass die Temperaturen im Laufe des Tages noch weiter ansteigen werden. Irgendwann überwunden wir die Baumgrenze und stiegen von da an weiter in der prallen Sonne aufwärts. Nach etwa 3,5 Stunden erreichten wir ziemlich ausgepumpt die Hütte, auf der wir die nächsten 2 Tage die einzigen Gäste sein sollten. Kurz wurden die Lager inspiziert, allein auf der Hütte konnten wir uns gemütlich ausbreiten. Zum Mittag gönnten wir uns die hiesige Hüttenspezialität: Rösti mit Speck, Zwiebel und Ei. Und nach zwei erfrischenden Bier war die Welt auch wieder in Ordnung und erweckte in uns neue Lebensgeister.

 

Die Bedingungen für die Besteigung des Weisshorns waren nicht grad optimal. Seit über einer Woche hatte niemand einen Gipfelvorstoß versucht. Nach dem Neuschnee der letzten Tage konnten wir nicht auf eine Spur oben auf dem schmalen steilen Firngrat hoffen. Selbst die schwierigen Fels- und Gratpassagen waren teils verschneit. Außerdem wurde für den kommenden Abend ein heftiges Unwetter vorhergesagt.
Trotzdem wollten wir zumindest eine Erkundungsbesteigung wagen und soweit wie möglich aufsteigen.
Kurz über der Hütte muss der Schaligletscher überquert und danach eine Felsstufe durch einen Wasserfall überwunden werden. Um diese heiklen Passagen in der kommenden Nacht sicher zu passieren, stiegen wir am Nachmittag noch einmal weiter auf. Den Gletscher überquerten wir im oberen Teil zielsicher zwischen zahlreichen Querspalten. Am Wasserfall kletterten wir auf verschiedene Felsbänder und suchten lange nach einer halbwegs sicheren und einfachen Aufstiegsmöglichkeit. Nach einigen heiklen Kletterpassagen entschieden wir uns, den Wasserfall ganz unten direkt über ein Band zu queren, unterliesen aber einen Versuch, um rechtzeitig zum Abendbrot wieder auf der Hütte zu sein. Nach einer halben Stunde erreichten wir wieder die Hütte und bereiteten uns auf den nächtlichen Aufstieg vor.

 

3:00 Uhr nachts krochen wir aus unseren Schlafsäcken, kurze Zeit später saßen wir beim Frühstück. Gut dass wir am Vortag die Route schon erkundet hatten, so konnten wir im Dunkeln zügig den Schaligletscher überqueren und zum Wasserfall gelangen. Wie geplant querten wir den Wasserfall im unteren Bereich auf nassen glitschigen Bändern gesichert mit Seil und fanden gegenüber auch gleich eine Abseilstelle. Nun ging es weiter über ein breites schräges Band den Wasserfall hinauf. Durch eine kleine nasse Felswand und ein weiteres Band überwunden wir die erste Felsstufe und gelangten auf den langen Felsrücken. Anfangs konnten wir einem kleinen Pfad folgen, später ging es immer mehr in Kletterei über. Ab und zu zeugten kleine Steinmännchen, das wir uns noch auf der rechten Route befanden. Einmal mussten wir den Felsrücken nach links verlassen, um eine Wandstufe zu umgehen. Danach kletterten wir aber wieder über ausgesetzte Felsplatten und Risse auf den Grat zurück. Im oberen Teil des Felsrückens mussten wir auch einige Türme umgehen, andere haben wir einfach überklettert. Danach wurde es etwas flacher und im Bogen erreichten wir über einen kleinen Pfad die Felspfeiler, die uns auf den Weisshorn-Ostgrat führen sollten. Inzwischen wurde es auch hell, zielsicher fanden wir einen großen Steinmann, machten kurz Pause und bereiteten uns für die Kletterei am Pfeiler vor. Die erste Seillänge führte auch gleich über eine nasse steile Rinne zu einem Absatz, von dort ging es dann am Kurzseil weiter hinauf. Endlos, steil, teilweise brüchig versuchten wir eine optimale Route durch den Pfeiler zu finden. Es gab sehr viele Spuren, was die Wegfindung nicht grad leichter machte. Meist orientierten wir uns an der Felskante des Pfeilers, umkletterten aber auch einige steile Felstürme. Oft war unsere Route auch teilweise verschneit, der Schnee inzwischen weich, was unsere Kletterei behinderte. Und natürlich spürten wir auch die langen und schweren Aufstiege der vergangenen Tage in unseren Knochen. Als Umkehrzeitpunkt hatten wir uns 12:00 festgelegt. Aber wir merkten schon, dass wir zu langsam vorankamen. Als wir endlich den messerscharfen Ostgrat erreichten, entschieden wir, noch etwas weiter aufzusteigen um die Kletterstellen zu erkunden. Der Grat beginnt gleich mit einer Schlüsselstelle, dem Lochmatterturm. Entsprechend einiger Infos umkletterten wir den Turm auf der linken Wandseite, was sich als sehr heikel erwies. Teilweise sehr brüchig und schlecht zu sichern stiegen wir etwas in die Felswand ab um dann wieder zu einem steilen Band aufzusteigen. Oben fanden wir einen alten rostigen Haken als einzige Sicherung. Über eine senkrechte Rinne erreichten wir wieder den Grat. Später stellte sich heraus, dass man diesen Turm besser frontal überklettert. Dies ist zwar extrem luftig und ausgesetzt, oben teils überhängend, dafür oben mit mehreren Abseilösen recht gut gesichert.
Weiter ging es nun langsam über den Grat meist frontal über die nächsten Felstürme und Zacken hinweg. Es verblieb noch ein größerer Turm bis zum Beginn des Firngrates. Hier machten wir nochmal Pause. Inzwischen war es 10:00 Uhr und wir entschieden, das wir besser umkehren, da langsam die ersten Wolken über den Grat zogen und wir auch genügend Respekt vor dem noch sehr langen Abstieg hatten. Ein Aufstieg zum Gipfel über den Firngrat ohne Spur im tiefen Schnee bei drohendem Unwetter wäre unverantwortlich gewesen. Leicht fiel uns diese Entscheidung nicht, da wir viel Aufwand für unsere Akklimatisation betrieben hatten, aber das Risiko war uns dann doch zu groß.

 

Der Abstieg über den Grat endete dann am Lochmatterturm, über den wir uns frontal abseilten. Kurze Zeit später begannen wir den Abstieg über den Pfeiler. Dies erwies sich im Abstieg teils schwieriger als im Aufstieg. Den gesamten Pfeiler kletterten wir mit Kurzseilsicherung mühsam ab, nur die letzte Seillänge durch die nasse Rinne seilten wir noch einmal ab. Schon ziemlich erschöpft erreichten wir den Schuttrücken unterhalb des Pfeilers. Nach kurzer Pause ging es weiter über den Felsrücken hinab zur Scharte mit dem Wasserfall. Nur mühsam kamen wir voran, selbst im Hellen war es gar nicht so einfach, einen sicheren Weg nach unten zu finden und wir staunten nicht schlecht, wo wir vor einigen Stunden noch im Dunkeln hinaufgeklettert waren.
Weiter unten auf dem Rücken wichen wir nach rechts Richtung Gletscher aus, um unseren Abstieg zu beschleunigen. Dies erwies sich aber als noch mühsamer, als Abklettern, da dort das lose und rutschende Geröll kaum festen Halt und Tritt bot. Nach einigen Rutschpartien kehrten wir wieder auf den Felsrücken zurück und gelangten so sicher bis zum Wasserfall. Nach dem ersten Band oben querten wir den Wasserfall, folgten dem Band auf der anderen Seite und fanden so die mit Seil gesicherte Querung auf das untere Band. So konnten wir die kleine Felswand im Wasserfall umgehen. Über dieses Band gelangten wir weiter unten zur Abseilstelle. Ein letztes Mal seilten wir uns durch den Wasserfall über die glitschigen Felsplatten Richtung Schaligletscher ab. Eine halbe Stunde später erreichten wir ausgepauert und erschöpft die sichere Hütte.

 

Keine halbe Stunde später brach ein heftiges Unwetter mit Blitzen, Hagel, Regen und Sturm herein. Waren wir froh, rechtzeitig ein sicheres Dach über dem Kopf erreicht zu haben. Das Unwetter wütete die ganze Nacht.

 

Gemütlich genossen wir am nächsten Morgen unser Hüttenfrühstück und kurze Zeit später stapften wir den schmalen Pfad hinab nach Randa. Die 1.600Hm legten wir zügig in knapp 2 Stunden zurück. Anfangs im dichten Wolkenvorhang, später dann bei wieder schönem Sommerwetter. Nach 7-stündiger Autofahrt erreichten wir kurz nach 18:00 Uhr wieder wohlbehalten aber erschöpft Alzenau.

 

Nochmal mein Respekt vor Sebastian, der fast alle kniffligen Kletterstellen sicher im Vorstieg gemeistert hat. Um diese langen und schweren alpinen Routen zu begehen, bedarf es einer gehörigen Portion Zähigkeit und Ausdauer. Nicht zu vergessen, die schweren Rucksäcke mit Ausrüstung, Verpflegung, Trinken und warmen Sachen, die wir ständig dabei hatten. Trotz des Altersunterschiedes waren wir ein schlagkräftiges Team.
Oft fragt man, warum man sich diese Schinderei nur antut. Dies kann man nicht beschreiben, man muss einfach mal auf einem Gipfel dabei gewesen sein, wenn einem die ganze Welt zu Füßen liegt. Dafür muss man aber halt auch bereit sein, diese Strapazen auf sich zu nehmen.

 

Nach dieser Tour gehen schon wieder die Planungen weiter für die nächsten Touren. Schnell kristallisieren sich neue anspruchsvolle und interessante Ziele heraus. Viele standen uns bei dieser Tour direkt vor der Nase.
Nun gilt es aber erst mal wieder Kräfte zu sammeln, die ganze Ausrüstung wieder auf Vordermann zu bringen und eventuell neue und jüngere Teilnehmer für die nächste Tour aufzubauen und zu motivieren.

 

 

 

Autor: Torsten Puschmann

 

Alpinclub Alzenau

 

Alzenau, 23.08.2017

 

 

Homepage: http://www.alpinclub-alzenau.de/
Kontakt:
kontakt@alpinclub-alzenau.de
Treffpunkt: Alpinclub Alzenau (oberhalb des Tennisvereins)
Training Jugend: Di 18:30 - 20:30 (wieder ab 12.09.2016)
Stammtisch: Fr ab 19:30

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Kommentare: 2
  • #1

    Heinz Kowalski (Dienstag, 19 September 2017 14:54)

    Super Bericht, super Leistung, macht weiter so:-)

  • #2

    Sebastian S. (Montag, 11 Dezember 2017 00:43)

    Verbrannte Fresse, jede Menge Gaudi und wunderbare Gipfel!
    Oberaarhorn für spektakuläre Akklimatistion, Dent Blanche anspruchsvoller Gipfel, der es definitiv so was von Wert ist, und der Versuch am Weisshorn war durchaus auch schon ein Erfolg. Der nächste Versuch wird nicht lange auf sich Warten lassen!
    Und danke an Torsten, einen spitze Seilpartner, nicht nur für die vielen grandiosen Erinnerungen!